Island im Rollstuhl bereisen – geht das überhaupt angesichts von so viel Natur, die auch noch oft felsig, rau und spaltenreich ist? Angesichts der vielen Schotter-Wege? Wie sieht es auf der Insel generell aus mit Barrierefreiheit an den Sehenswürdigkeiten und mit behindertengerechten Einrichtungen? Florian Flügge ist die ideale Person, um diese Fragen zu beantworten: Seit vielen Jahren bereist der 35-Jährige die ganze Welt im Rollstuhl. Nun war er mit seinen Eltern in Island – und berichtet uns im Interview von seinen Erfahrungen. Ein Fazit von ihm: „Auf jeden Fall möchte ich noch einmal nach Island reisen.”
Herr Flügge, wollen Sie sich unseren Leserinnen und Lesern kurz vorstellen?
Mein Name ist Florian Flügge. Ich bin 35 Jahre jung und lebe mit meiner Frau im wunderschönen Sauerland. Ich arbeite als Heil- und Sexualpädagoge in einer großen Einrichtung für Menschen mit Behinderung. Im Jahr 2009 habe ich die Diagnose Friedreich-Ataxie erhalten. Diese fortschreitende neurologische Erkrankung macht mein Leben besonders. Seit vielen Jahren ist der Rollstuhl mein ständiger Begleiter. Ich lebe nach dem Motto: Rollstuhl ist nicht gleich aktivlos. Das Leben ist nicht nur für mich begrenzt. Aufgrund der fortschreitenden Diagnose aber sicher nicht so gut planbar, weshalb ich so viel erleben möchte, wie eben geht.
Sie reisen viel. Welche Länder haben Sie bereits bereist?
Die Welt zu entdecken ist in der Tat für mich ein großer Lebensinhalt. Neben zahlreichen Zielen in Europa wie zum Beispiel Spanien, Italien, Österreich, Niederlande, Schweden oder eben Island sind vor allem auch Fernreisen für mich reizvoll. Beispielsweise habe ich bereits mehrfach (vier Mal) die USA bereist und dabei auf Roadtrips vor allem die Staaten Kalifornien, Florida und South Carolina erkundet und auf ihre Rollstuhltauglichkeit geprüft.
„Rollstuhl ist nicht gleich aktivlos“
Im Alter von 13 Jahren habe ich gemeinsam mit meinen Eltern eine Wohnmobilreise durch die kanadischen Rocky Mountains (von Calgary nach Vancouver) unternommen. Im Jahr 2010 habe ich gemeinsam mit zwei Freunden Südafrika bereist. Besonders Kapstadt hat mich bis heute in einen Bann gezogen. In den folgenden Jahren habe ich Südafrika drei weitere Male bereist. Zudem habe ich 2017 eine Rundreise durch Namibia gemacht.
Welches Land war für Sie am einfachsten zu bereisen, welches am schwierigsten?
Sehr herausfordernd war die Reise auf die Philippinen. Barrierefreiheit ist hier wohl ein Fremdwort, allerdings werden Barrieren aufgrund der Hilfsbereitschaft der Menschen einfach mal beseitigt. Eine ähnlich große Hilfsbereitschaft habe ich auf einer Rundreise durch Kenia erlebt, sodass hier keine unüberwindbaren Barrieren für mich entstanden. Der Roadtrip in Australien von Sydney nach Cairns im Jahr 2018 ist ebenfalls unvergesslich. Insgesamt bin ich der Meinung, dass Reisen mit Rollstuhl in jedes Land möglich ist. Allerdings erfordert eine solche Reiselust für Menschen im Rollstuhl eine gewisse Flexibilität und eine ordentliche Portion Humor.
„Manchmal werden Barrieren durch die Hilfsbereitschaft der Menschen einfach mal beseitigt“
Ebenfalls bedeutet Rollstuhlfahrer nicht gleich Rollstuhlfahrer. So ist es für mich auf jeder Reise erforderlich, dass ich eine Begleitperson habe, die nötige Hilfestellung gibt. Im europäischen Vergleich halte ich die Länder Niederlande und Schweden für besonders rollstuhlfreundlich.
Wie kamen Sie auf die Idee, nach Island zu reisen?
Die Idee nach Island zu reisen entstand witzigerweise auf dem Rückflug von Kenia. Meine Frau macht sich schon immer lustig, aber ich wische über die Weltkarte auf dem Bildschirm vor mir im Flugzeug und überlege, welches Land mich interessiert. Zack – das nächste Reiseziel stand fest: Island! Da ich wusste, dass meine Frau für diese Reise keinen Urlaub bekommen wird, wandte ich mich an meine Eltern. Island klang auch für sie reizvoll, sodass ich mit der Planung begann.

Wie bereiten Sie sich für Reisen vor, wenn Sie beschließen, ein Land per Flugzeug / Schiff zu bereisen? Gibt es Portale, wo Sie sich austauschen können?
Zu Beginn einer Reiseplanung versuche ich über die herkömmliche Recherche mit Google, an Informationen zum Zielland zu kommen. Zum Beispiel suche ich nach „Island und Rollstuhl“. Schnell lande ich dann auf Erfahrungsberichten oder Reiseblogs. Im nächsten Schritt wähle ich bei Fernreisen immer ein spezialisiertes Reisebüro für das Zielland. Für die Reise nach Island habe ich mich für das Katla Travel Reisebüro aus München entschieden. Ich konnte all meine Wünsche und Anforderungen per E-Mail mitteilen und erhielt innerhalb weniger Tage mein individuelles Reiseangebot. Zunächst war das Reiseangebot auf eine Flugzeugreise zugeschnitten. Bei meiner Recherche im Internet habe ich aber erfahren, dass auch eine Reise via Schiff nach Island möglich ist. Der Grund für die Reise nach Island war unumstritten die spektakuläre Natur, und um diese Natur in vollen Zügen erleben zu können, schien es mir sinnvoll, meinen Outdoor-Elektrorollstuhl mitzunehmen.
Und dafür war eine Schiffsreise besser geeignet als ein Flug?
Möglicherweise hätte man einen Transport im Flugzeug organisieren können, aber mal ehrlich: Oftmals geht das Flughafenpersonal mit solchen Hilfsmitteln nicht sehr pfleglich um. Hinzu käme ein schwieriger oder unmöglicher Transport auf Island, denn meinen Outdoor-Elektrorollstuhl kann man nicht mal eben zusammenfalten und in den Kofferraum stellen. Deshalb schien die Überfahrt mit der Fähre und dem eigenen Auto inklusive Outdoor-Elektrorollstuhl sinnvoll. Im Vorhinein war mir bewusst, dass die Reise nach Island sicherlich kein günstiges Vergnügen wird. Wenn ich bereit bin, eine Stange Geld für eine solche Reise auszugeben, ist es mir wichtig, dass all meine Wünsche und Anforderungen bestmöglich berücksichtigt werden, deshalb halte ich es für richtig, auch mehrmals nachzufragen oder Änderungswünsche einbauen zu lassen. Auch vor diesem Hintergrund habe ich mich für die Buchung über Katla Travel entschieden. Im Internet findet man auch Reisebüros, die speziell Reisen für Rollstuhlfahrer anbieten. Die dort zu findenden Angebote übersteigen oftmals mein Budget. Aber auf diesem Weg erhält man auch Informationen zur Barrierefreiheit des ausgewählten Ziellandes oder zu geeigneten Unterkünften.
Wie war die Anreise mit dem Schiff für Sie – abgesehen von der Seekrankheit?
Abgesehen von der Seekrankheit? Seit der Überfahrt kann ich von diesem Wort nicht mehr absehen. Die MS Norröna der Smyirl Line durchfährt die Nordsee und den Nordatlantik. Hier herrscht nahezu immer eine raue See, auf gar keinen Fall mit der Ostsee oder dem Mittelmeer zu vergleichen. Hinzu kommt, dass die MS Norröna kein riesiger „Kreuzfahrtdampfer“ ist und über keine Ausgleichstechnik verfügt. Die Hinfahrt war kein Vergnügen, die Rückfahrt zwar wesentlich ruhiger, aber auch noch nicht angenehm. Auf der Hinfahrt bin ich mit meinem Rollstuhl, trotz Kippschutz, nach hinten übergefallen. Vorteil vom Schiff: Wenn die Begleitperson gerade mal nicht bei dir ist, gibt es genügend freundliche Menschen, die dir rasch wieder in den Rollstuhl helfen. Spaß beiseite, fallen möchte man nicht. Auch wenn ich persönlich nicht noch einmal mit dem Schiff nach Island reisen werde, muss ich fairerweise sagen, dass sicherlich nicht jeder Rollstuhlfahrer in der Situation nach hinten übergefallen wäre. Aufgrund der Friedreich-Ataxie ist meine Reaktion ohnehin verlangsamt und die motorische Kontrolle fällt mir schwer.
Wie behinderten- und rollstuhlgerecht war es Ihrer Meinung nach an Bord?
Die Überfahrt von Hitshals in Dänemark nach Seyðisfjöður auf Island dauert etwa 40 Stunden. Die MS Norröna verfügt über mehrere behinderten- und rollstuhlgerechte Kabinen, teils sogar mit Pflegebett. Sowohl auf der Hinfahrt als auch auf der Rückfahrt waren gleich mehrere Passagiere im Rollstuhl an Board. Das Badezimmer verfügte über alle Einrichtungen, die Menschen mit Behinderung benötigen. Die Kabine war zwar nicht sehr modern, aber funktional und sauber. Das ist mir am wichtigsten. Um ins Badezimmer zu gelangen, muss eine größere Türschwelle überwunden werden, dies habe ich ohne Unterstützung nicht selbstständig bewältigen können.

Das Schiff verfügt über einen Aufzug und ist ab Deck 5 aufwärts bis zum obersten Deck (Deck 10) erreichbar. Auch das offene Deck ist mit dem Rollstuhl zu erreichen, wobei auch hier eine größere Türschwelle vorhanden ist und sehr wahrscheinlich Unterstützung benötigt wird. Die Hot Pots sind ebenfalls auf dem offenen Deck, allerdings nur über eine Treppe zu erreichen. Das Schwimmbad des Schiffes ist für Rollstuhlfahrer nicht zu erreichen. Ansonsten sind alle Einrichtungen wie Cafés, Restaurants oder der Boardshop barrierefrei zu erreichen und auch gut zu befahren.
„Außer Hot Pot und Schwimmbad waren an Bord alle Einrichtungen wie Cafés, Restaurants oder der Boardshop barrierefrei zu erreichen und auch gut zu befahren“
Aufgrund der Türschwellen ist ein Elektrorollstuhl an Board nicht zu empfehlen, hier sollte unbedingt ein manueller Rollstuhl genutzt werden. Trotz der zahlreichen Unterhaltungsmöglichkeiten an Board habe ich die 40 Stunden der Überfahrt als zu langwierig erlebt. Hinzu kommt, dass WLAN nicht kostenfrei zur Verfügung steht, und da auf See kein Netz für Mobiltelefone besteht, ist man eigentlich auf den Kauf angewiesen.
Wie würden Sie die Barrierefreiheit in Island rund um öffentliche Einrichtungen bewerten?
Abgesehen von den Sehenswürdigkeiten machte Island auf mich einen recht barrierefreien und behindertenfreundlichen Eindruck. Es gibt vor wirklich jeder Einrichtung (Hotel, Supermarkt, Parkplätze usw.) Parkplätze für Menschen mit Behinderung, die mit dem europaweit gültigen blauen Parkausweis für Schwerbehinderte kostenlos genutzt werden können. Öffentliche Gebäude sind entweder mit Rampe oder Aufzug ausgestattet. In Einkaufsstraßen sind vor Geschäften oftmals noch kleine Stufen. Ich würde diese Situation mit der in Deutschland vergleichen.
Wie bewerten Sie die Unterkünfte in Island, wo Sie übernachten haben? Haben diese Ihren Erwartungen entsprochen?
Auf der Reise haben wir 9 Unterkünfte für jeweils 1 bis 2 Nächte aufgesucht, diese hatte das Reisebüro natürlich im Vorhinein gebucht. Der Check-in verlief überall reibungslos. Name und ggf. die Kreditkartenhinterlegung waren ausreichend. Dies ist für mich immer ein großer Pluspunkt, wenn man sich nicht selbst auf die Suche nach Unterkünften begeben muss. Alle Unterkünfte verfügten über eine ebenerdige Dusche. Einige Zimmer waren komplett behindertengerecht eingerichtet, zum Beispiel mit Haltegriffen an WC und Dusche. Andere Zimmer wiederum waren lediglich „barrierefrei“, besonders hier war ich auf die Unterstützung meiner Eltern angewiesen.
„Einige Zimmer der Hotels waren komplett behindertengerecht, andere wiederum lediglich ‚barrierefrei‘“
Alle Unterkünfte haben mir auf Nachfrage einen Duschstuhl – manchmal auch nur einen Hocker – zur Verfügung gestellt. Insgesamt ist mir aufgefallen, dass alle Unterkünfte oder auch sonstige Sanitäreinrichtungen in Island sehr sauber und gepflegt sind. Außerdem wirkten viele der Unterkünfte von außen nicht einladend, haben von innen jedoch völlig überzeugt. Insgesamt waren alle Unterkünfte zweckmäßig bis gut. Eine ideale Einrichtung vorzufinden ist sicherlich ohnehin schwierig, da jede Behinderung individuelle Anforderungen stellt. Meinen Erwartungen an die Unterkünfte ist voll und ganz entsprochen worden, zumal ich auf die Unterstützung meiner Eltern als Begleitpersonen zurückgreifen konnte. In allen Unterkünften war Frühstück inklusive. Bis auf eine Ausnahme war das Frühstück gut bis sehr gut.
Was war die größte Herausforderung für Sie als Rollstuhlfahrer in Island?
Island als europäisches Land braucht sich nicht vor den europäischen Standards, was die Barrierefreiheit anbelangt, verstecken. Warum Island jedoch so sehenswert ist, liegt ohne Zweifel an der spektakulären Natur. Und genau an dieser Stelle setzt die Herausforderung an. Einige der wirklich atemberaubenden Sehenswürdigkeiten sind von der Straße bzw. vom Parkplatz aus gut sichtbar. Auch lohnt sich ein Ausstieg, allerdings sind zahlreiche Sehenswürdigkeiten mit dem Rollstuhl nicht umfänglich erreichbar, damit meine ich, es ist nicht möglich, ganz nah an die Attraktion zu gelangen. Fußgänger haben hier oftmals andere Möglichkeiten. Der herkömmliche manuelle Rollstuhl oder Aktivrollstuhl kommt hier schnell an seine Grenzen.
„Was die Barrierefreiheit anbelangt, braucht sich Island als europäisches Land sich nicht vor den europäischen Standards verstecken“
Von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen sind die Zuwegungen vom Parkplatz mit gut befahrbaren Matten/Gittern ausgelegt, ansonsten trifft man eher auf groben und losen Schotter, was die eigene Fortbewegung für mich unmöglich machte und für meine Eltern als Begleitpersonen extrem schwerfällig, zumal immer wieder Höhenunterschiede bewältigt werden müssten und meine Eltern auch nicht mehr unbedingt zum „jungen Eisen“ gehören. Mein Outdoor-Elektrorollstuhl bei jedem Stopp auszuladen, hätte sicherlich nicht im Verhältnis gestanden, weshalb wir einige Sehenswürdigkeiten mit dem manuellen Rollstuhl besichtigt haben.
Was waren Ihre Top 10 Sehenswürdigkeiten, die einfach für Sie zu besuchen waren
Meine Top 10 der barrierefreien Sehenswürdigkeiten in Island waren:
Top 1: Ein unbedingtes Muss für jeden Rollstuhlfahrer ist der Wasserfall Svöðufoss auf der Halbinsel Snæfellsnes im Westen Islands. Hier gelangt man über einen etwa 300 Meter langen Steg aus Gittern genau so nah an den Wasserfall, wie es Fußgängern auch möglich ist.
Top 2: Das Mývatn Nature Baths im Norden von Island. Nicht nur für Fußgänger womöglich die beste Alternative zur Blauen Lagune, sondern auch barrierefrei und behindertengerecht. Die Begleitpersonen sind gratis und die Karten hatten wir im Vorhinein online reserviert/gebucht. Vor Ort wurde mir ein Duschrollstuhl zur Verfügung gestellt, mit dem ich sowohl unter die Dusche als auch über eine Rampe direkt ins 38 Grad warme Wasser fahren konnte bzw. geschoben wurde.

Top 3: Das FlyOver Iceland in Reykjavík ist ein Simulator, der dich über alle Landschaftsbilder Islands fliegt. Ebenfalls ein unbedingtes Muss für den Besuch in Reykjavík. Die Karte kostet etwa 30 Euro, kann vorher gebucht werden, was in unserem Fall aber nicht notwendig war. Wir mussten vor Ort etwa 45 Minuten warten. Allerdings war zu der Zeit in Island noch Vorsaison und deshalb möglicherweise auch nicht ausgebucht. Die Teilnahme ist komplett barrierefrei, da man einen Aufzug nutzen kann. Zur eigentlichen Attraktion, dem virtuellen Flug, ist es jedoch sehr empfehlenswert, wenn sich der Rollstuhlfahrer umsetzten kann, damit auch der Bewegungseffekt ideal simuliert wird.
Top 4: Die drei Highlights des Golden Circle im Süden von Island gehören auch zu meinen Highlights in Sachen Barrierefreiheit.
Þingvellir: Vermutlich aufgrund des hohen Besucherandrangs sind die Wege in diesem Areal mit feinem Schotter ausgestattet, worauf auch ein manueller Rollstuhl gut fährt. Allerdings kommt die Begleitperson ins Schwitzen, da auch hier einige Höhenmeter zu absolvieren sind.
Haukadalur: Dieses Geothermalgebiet mit der bekannten Springquelle Geysir ist nicht nur außerordentlich berühmt, sondern auch relativ barrierefrei und mit einem manuellen Rollstuhl zu befahren. Hier sind die Wege gut ausgetreten und deshalb gut befahrbar, allerdings gibt es einige Schlaglöcher und unebene Stellen. Das gesamte Gebiet ist für Fußgänger noch weitläufiger erkundbar. Rollstuhlfahrer können unkompliziert die Highlights besichtigen und die touristischen Einrichtungen vor Ort nutzen.
Gullfoss: Der beeindruckende und mächtige Wasserfall bietet für Rollstuhlfahrer sogar eigene Parkplätze, die einen unmittelbaren und direkten Blick auf den „goldenen Wasserfall“ erlauben. Entscheidet man sich hier für einen Ausstieg, ist man jedoch gebunden, auf dieser Ebene zu bleiben. Zu Fuß gehende Touristenströme gehen noch näher an das Geschehen heran.

Top 5: Die Gletscherzunge Svínafellsjökull ist nur durch eine kleinere Wanderung (etwa 30 Minuten) über einen geschotterten Weg zu erreichen. Mit einem manuellen Rollstuhl würde ich diese Wanderung nicht unternehmen, obwohl kaum ein Höhenunterschied bewältigt werden muss. Die Nähe zum ewigen Eis ist hier sehr faszinierend.

Top 6: Vielleicht nicht die spektakulärste Sehenswürdigkeit, aber dafür äußerst barrierefrei. Das Maar Kerið. Der Krater ist mit Wasser gefüllt und man gelangt über einen asphaltierten Weg zu dem Aussichtspunkt. Laufbegeisterte Menschen können einmal um den Krater herumlaufen, aus meiner Sicht bietet sich hier aber kein anderer Blick, weshalb der Aussichtspunkt zur Sehenswürdigkeit ausreichend ist. Uns war es etwas unklar, aber anscheinend wird an dieser Sehenswürdigkeit von den Besuchern ein Eintrittsgeld verlang.
Top 7: Der Skógafoss gilt als einer der schönsten Wasserfälle in ganz Island. Auch hier ist es mit dem Rollstuhl möglich, dem Fall ganz nah zu kommen, allerdings auch nur über eine unebene und buckelige Fläche. Hier war die Unterstützung durch meinen Vater als Schiebekraft unumgänglich. Eine lange Treppe ermöglicht den Fußgängern einen Blick von oben auf den Wasserfall, dies bleibt den Rollstuhlfahrern vorenthalten.

Top 8: Der Wasserfall Kologljúfur ermöglicht über eine asphaltierte Brücke einen umfangreichen Überblick auf den massiven Fall und die nachfolgenden Fluten. Hinzu kommt die barrierefreie Aussichtsplattform.
Top 9: Der einzigartige Hraunfoss ist ebenfalls von einem nahen Parkplatz aus barrierefrei zu erreichen. Wir haben nicht den kompletten Weg zum höher gelegenen Barnafoss zurückgelegt, ein ausgetretener Pfad macht eine barrierefreie Wanderung wohl möglich. Allerdings ist hier zu bedenken, dass auch dieser Pfad einige Schlaglöcher und unebene Stellen bereithält.

Top 10: Die Landzunge Stokknes wirkte auf den ersten Blick zwar nicht sonderlich barrierefrei, aber die nette Frau im Café, in dem man den Parkeintritt bezahlt, gewährte uns die barrierefreie Fahrt mit dem Auto zum Viking Village. Der anschließende Spaziergang am Strand war auch barrierefrei möglich.
Welche Sehenswürdigkeiten haben sich als nicht machbar für Sie herausgestellt?
Generell habe ich überwiegend die Erfahrungen gemacht, dass Sehenswürdigkeiten, die vom Auto aus nicht sichtbar sind, auch nicht barrierefrei sind. Selbst mit dem Outdoor-Elektrorollstuhl hätte ich einige Sehenswürdigkeiten nicht erreichen können, wie beispielsweise den Svartifoss im Nationalpark Skaftafell. Wir haben hier eine kleine Wanderung unternommen, doch nach extremer Steigung, die der Outdoor-Elektrorollstuhl aber meisterte, standen wir plötzlich vor einem unüberwindbaren Hindernis mit dem Namen „Treppe“.
„Sehenswürdigkeiten, die vom Auto aus nicht sichtbar sind, sind in der Regel auch nicht barrierefrei“
Die angefahrenen Sehenswürdigkeiten hatten wir aber nicht nach „Sichtbarkeit von der Straße“ ausgewählt. Da meiner Mutter jedoch gerne läuft, wurde sie des Öfteren für ein paar Fotos vorgeschickt … Erfreulicherweise waren diese Sehenswürdigkeiten aber selten so sehenswert, dass bei mir hätte ein Gefühl von Demut entstehen müssen.
Wo sind die Schwierigkeiten bei Restaurantbesuchen in Island? Gibt es Unterschieden zu anderen Ländern? Ist es notwendig, im Voraus zu buchen?
Wie bekannt sein dürfte, ist Island kein günstiges Land. Das betrifft auch die Besuche im Restaurant. Vor diesem Hintergrund haben wir uns hier ein wenig zurückgehalten und waren nicht jeden Abend auswärts essen. Da wir mit unserem eigenen Auto angereist waren, hatten wir auch die Möglichkeit, einige Abendmahlzeiten von Deutschland aus mitzunehmen. Einige Male hatten wir uns aber auch in einem Supermarkt mit Leckereien für den Abend eingedeckt. In einem Hotel hatten wir ein Apartmentzimmer bekommen, welches mit einer kleinen Küchenzeile ausgestattet war. In einer anderen Unterkunft (Gästehaus) bestand die Möglichkeit, eine Gemeinschaftsküche zu nutzen. Zusätzlich hatten wir bereits aus Deutschland einen Grill mitgenommen, dieser kam letztendlich aber nicht zum Einsatz.
Selbstverständlich haben wir aber an der Mehrheit der Abende auswärts gegessen. Dies war zu keinem Zeitpunkt ein Problem, weder war eine vorherige Reservierung notwendig noch gab es Probleme bezüglich der Barrierefreiheit. In einer Pizzeria in Reykjavik war ein Aufzug installiert, sodass wir problemlos in das Restaurant gelangten. Oftmals haben wir die hoteleigenen Restaurants genutzt. Alle Abendessen, ob auswärts oder hoteleigenen, waren gut bis sehr gut.
Welchen Rollstuhl nutzen Sie für Ihre Reisen, welchen würden Sie empfehlen?
Dies hängt maßgeblich von der Art der Reise ab. Für Aktiv-Reisen wie unsere Island-Reise empfehle ich unbedingt eine zusätzliche elektrische Rollstuhlvariante, die für das Gelände tauglich ist. Insbesondere bei kurzen Spaziergängen oder Wanderungen ist man mit einem manuellen Rollstuhl schnell aufgeschmissen und die Begleitperson kommt rasch ins Schwitzen. Und letztendlich ist da ja auch noch immer das Thema der Selbstbestimmung. Ich hatte mich für die Mitnahme meines Outdoor-Elektrorollstuhls (Permobil X850) entschieden, diese Entscheidung habe ich keineswegs bereut. Dennoch habe ich auf der Reise Dinge erkannt, die ich für eine zukünftige Island-Reise anders machen würde. Ich hatte bereits erwähnt, dass eine weitere Schiffsreise nach Island keine Option mehr ist, gleichzeitig habe ich Zweifel an der Transportfähigkeit des Outdoor-Elektrorollstuhls im Flugzeug.
„Für Aktiv-Reisen wie unsere Island-Reise empfehle ich unbedingt eine zusätzliche elektrische Rollstuhlvariante, die für das Gelände tauglich ist”
Persönlich nutze ich kein elektrisches Zuggerät, könnte mir aber sehr gut vorstellen, dass eine Outdoor-Variante in Verbindung mit einem Starrrahmen-Rollstuhl und einer Mountainbike-Bereifung ein idealer Begleiter für die isländischen Gegebenheiten ist.

In der Regel ist bei allen Fluggesellschaften die Mitnahme von 2 Hilfsmitteln (Rollstuhl und Zuggerät/ Outdoor-Elektrorollstuhl) kostenfrei möglich. Der Transfer eines Zuggeräts im Flugzeug ist vermutlich einfacher, da es besser zu verpacken bzw. zu schützen ist als der 190 Kilogramm schwere Outdoor-Elektrorollstuhl. Hinzu kommt, dass der Transport eines Zuggeräts vor Ort sicherlich unkomplizierter ist.
Was müsste sich Ihrer Meinung nach in Island verbessern, um Reisen mit mobiler Einschränkung zu vereinfachen?
Reisen mit dem Rollstuhl ist in Island herausfordernd, aber nicht unmöglich. Eine Rundreise erfordert eben nicht nur barrierefreie Unterkünfte, sondern auch behindertengerechte Einrichtungen. Soweit ich informiert bin, darf in Deutschland kein neu gebautes Hotel mehr eröffnen, welches keine behindertengerechten Zimmer anbietet. Es wäre auch in Island sehr erfreulich, wenn sich ein Rollstuhlfahrer nicht einzig und allein aus Gründen der Verfügbarkeit für eine Unterkunft entscheiden muss. Und wie bereits erwähnt, waren alle Unterkünfte barrierefrei, sodass ein Upgrade auf „behindertengerecht“ relativ problemlos möglich ist. Bezüglich der vielfältigen Sehenswürdigkeiten in Island sollte auch hier unbedingt das Thema der Barrierefreiheit berücksichtigt werden.
„Eine Rundreise erfordert eben nicht nur barrierefreie Unterkünfte, sondern auch behindertengerechte Einrichtungen“
Behindertengerechte Einrichtungen, zum Beispiel behindertengerechte Toiletten beispielsweise in Touristeninformationen, habe ich auf unserer Reise nicht überall vorfinden können. Teilweise zeigte sich loser Schotter als sehr große oder vielleicht auch unüberwindbare Herausforderung. An vielen Stellen könnte ich mir vorstellen, dass etwas Kies und eine Rüttelplatte die Barrierefreiheit deutlich verbessern würden. Bereits über Google Maps kann man gezielt barrierefreie Attraktionen/Sehenswürdigkeiten ausfindig machen. Vor einigen Jahren hat der Inklusionsaktivist, Raul Krauthausen Wheelmap initiiert, eine Karte, die barrierefreie Clubs, Cafés oder Restaurants in Deutschland listet. Eine ähnliche Map könnte ich mir auch sehr gut für diese Sehenswürdigkeiten in Island vorstellen. Vor dem Gedanken der gleichberechtigten Teilhabe fände ich zum Beispiel die Info wichtig, wie barrierefrei die Sehenswürdigkeit ist. Ein Beispiel: Der Seljalandfoss in Islands Süden gilt als besonders, da man auf einem kleinen Weg hinter dem Wasserfall hergehen kann, das gilt aber nicht für Rollstuhlfahrer. Dementsprechend ist dieser Wasserfall nicht zu 100 Prozent barrierefrei.

Ich möchte an dieser Stelle auch gar nicht darauf hinaus, dass alles zu 100 Prozent barrierefrei sein muss. Das wird in der Natur wahrscheinlich nicht klappen und Fußgänger werden immer die Möglichkeit zum Klettern haben. Mit einer gleichberechtigten Teilhabe meine ich vielmehr, die offiziellen Möglichkeiten nutzen zu können.
Würden Sie noch mal nach Island reisen?
Auf jeden Fall möchte ich noch einmal nach Island reisen. Hauptsächlich aus dem Grund, weil ich das Bedürfnis habe, meiner Frau dieses schöne Land zeigen zu wollen. ❤️
Lieber Florian Flügge, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Katla-Mitarbeiterin Olga Martin.
Fotos: Privat (9), Thomas Linkel (1)
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