Islands 13 Weihnachtsmänner
Nur ein Nikolaus? Pah! In Island gibt es gleich 13 Weihnachtsmänner!
Island – die Insel aus Eis und Feuer ist nicht nur für ihre Naturwunder bekannt. Auch die Bräuche und Traditionen der Isländer sind berühmt-berüchtigt: vom Stockfisch über Strickpullover mit Zackenmuster, die “HUH” Rufe bei der Fußballweltmeisterschaft, eigenwillige Gesangskünstler bis hin zu bis heute erhaltenen Glauben an Elfen und Trolle.
Und um Letztere geht es heute. Erwischt! Die Weihnachtsmänner von Island sind gar keine Weihnachtsmänner, sondern Trolle! Aber was haben Trolle mit dem hohen christlichen Fest zu tun?
Das ist mal wieder typisch isländisch: selbst zur Geburt Jesu müssen Trolle vorkommen. Die interessieren sich allerdings herzlich wenig für den Messias: traditionell sind Trolle üble, menschenfressende Ungeheuer, die es vor allem – Sie haben es erraten – auf unartige Kinder abgesehen haben. Man könnte meinen, die Geschichte sei von Eltern aus erziehungstechnischen Gründen geschrieben worden… Aber das ist natürlich nur reine Spekulation. Da die Androhung, bei Fehlverhalten gefressen zu werden, heutzutage auch nicht mehr als pädagogisch wertvoll erachtet wird, wurde die Geschichte von den 13 Weihnachtsgesellen inzwischen ohnehin etwas abgewandelt.
Jólasveinar lautet der isländische Name für die Weihnachtsmänner. Das hat mit Juli oder Wein natürlich nichts zu tun, sondern bedeutet auch einfach nur “Weihnachtsgesellen”.
Wo die Weihnachtsgesellen Islands herkommen
Ihren Ursprung haben die Trolle mythisch gesehen in den Höhlen des isländischen Hochlands. Dort haust seit Jahrhunderten eine böse, alte Trollfrau: Grýla [gesprochen: Griela], eine griesgrämige, hässliche, schimpfende Kratzbürste, das Sinnbild einer Hausherrin, mit der eigentlich niemand zusammen sein möchte. Und doch hat sie sich laut Sage gleich drei Männer geangelt. Was mit den ersten beiden passiert ist, sei hier unerwähnt, der dritte jedenfalls ist Lepperlúði [gesprochen: Lepperlusi], der Vater der besagten 13 Weihnachtsgesellen. Er wird als fauler Schnarcher beschrieben, der höchstens griesgrämig, aber nicht böse und eher zurückhaltend ist und unter seiner Frau ohnehin nichts zu melden hat.
In der Atmosphäre einer engen, stickigen, verdreckten und besonders unordentlichen Wohn-Höhle sind dort die Kinder dieses Paares aufgewachsen: dürre, knorrige Trolle, die nur selten von Ihrer grausigen Mutter aus der Höhle entlassen werden, nämlich genau 13 Tage vor Heiligabend. Und da Trolle nur nachts nach draußen können, da Sonnenlicht sie in Stein verwandelt (ob die Trolle aus Bilbo Beutlins Abenteuer auch aus Island kamen?), haben die armen Kreaturen auch noch nie das schöne Island im Hellen gesehen. Vermutlich aber würde sie das ohnehin nicht viel interessieren, denn ihr Interesse gilt vor allem einem: leckerem Essen. Das finden sie natürlich vor allem in menschlichen Siedlungen.
Weihnachten in Island – die Trolle kommen!
Am 12. Dezember geht es regelmäßig los: da kommen sie, die Kinder der üblen Trollmutter Grýla, schleichen nachts in die Dörfer und Städte und fressen – nein, keine Kinder, das war einmal. Früher wurden unartige Buben und freche Gören in die Höhle der Mutter verschleppt und dort in den Kochtopf geworfen. Zum Glück für die Kleinen ist dieser aber eine wirklich miese Köchin, und die Troll-Söhne finden das Essen der Menschen viel leckerer, gerade zu Weihnachten. und so stibitzen sie hier und da – meistens nur Reste – und lassen sich bei den Menschen kaum blicken.
Die Weihnachtsgesellen kommen im Verlauf der 13 Tage vom 12. Dezember bis einschließlich 24. Dezember, also Heiligabend, einzeln nacheinander in die Siedlungen der Menschen. Jede Siedlung in Island einzeln besuchen? – Da müssen sich die Jungs aber ran halten, wenn sie das in einer Nacht schaffen wollen! Es sei denn, sie haben dann 13 Tage Zeit, überall hin zu kommen, denn nach dem 24. gehen sie ebenso nacheinander, wie sie gekommen sind, wieder in die Höhle ihrer Mutter Grýla zurück. Dabei ist jeder Weihnachtsgeselle nach der Speise, die er am liebsten stibitzt, benannt.
Islands 13 Weihnachtsgesellen im Überblick – wann sie kommen & wofür sie stehen
Hier alle 13 Weihnachtsmänner von Island in der Reihenfolge, in der sie kommen (Nach diesen Tagen richtet sich übrigens auch der 13-türige isländische Adventskalender.):
Kommt |
Geht |
Isländischer Name | Übersetzung |
12.12. | 25.12. | Stekkjastaur [gesprochen: Stehtjastöür] | „Pferchpfosten“
geht in den Schafstall und stiehlt die Milch von Mutterschafen |
13.12. | 26.12. | Giljagaur [gesprochen: Tjiljaköür] | „Schluchtenkobold“
geht in den Kuhstall und trinkt den Milchschaum |
14.12. | 27.12. | Stúfur [gesprochen: Stuhvür] | „Knirps“
stibitzt Reste aus der Bratpfanne |
15.12. | 28.12. | Þvörusleikir [gesprochen: Svöhrüsle-ikir] | „Kochlöffellecker“
leckt Kochlöffel und anderes Kochgeschirr ab |
16.12. | 29.12. | Pottaskefill [gesprochen: Pohtaskehvitl] | „Topfschaber“
schabt Reste aus den Kochtöpfen |
17.12. | 30.12. | Askasleikir [gesprochen: Askasle-ikir] | „Essnapflecker“
klaut unbeobachtete Essnäpfe vom Tisch |
18.12. | 31.12. | Hurðaskellir [gesprochen: Hürsasketlir] | „Türzuschläger“
schlägt Türen zu und macht Lärm, um Leute zu ärgern |
19.12. | 01.01. | Skyrgámur [gesprochen: Skihrka-uhmür] | „Quark-Gierschlund“
giert nach isländischem Magerquark (Skyr) |
20.12. | 02.01. | Bjúgnakrækir [Pjuknakra-ihtjir] | „Wurststibitzer“
klaut Räucherwürste vom Haken |
21.12. | 03.01. | Gluggagægir [Klückatja-ihjir] | „Fensterglotzer“
späht heimlich durchs Fenster |
22.12. | 04.01. | Gáttaþefur [gesprochen: Ka-uhtasehvür] | „Türschlitzschnüffler“
schnüffelt herum auf Suche nach Essbarem |
23.12. | 05.01. | Ketkrókur [gesprochen: Tjeht-kro-uh-kür] | „Fleischkraller“
versucht, etwas vom Weihnachtsbraten abzubekommen |
24.12. | 06.01. | Kertasníkir [gesprochen: Tjertasnitjir] | „Kerzenschnorrer“
hat eine Vorliebe für den Geschmack von Kerzentalg |
Am 06. Januar, dem Tag der Heiligen drei Könige, verlässt der letzte Weihnachtsgeselle die bewohnten Gebiete der Menschen und geht zurück ins Hochland.
Wie der isländische Weihnachtsbrauch mit den Schuhen auf der Fensterbank entstand
Ursprünglich kamen die Weihnachtsgesellen im Auftrag ihrer schrulligen Troll-Mutter Grýla in die Dörfer Islands, um ganz nach Troll-Manier unartige Kinder zu stehlen, damit diese im heimischen Kochtopf landen würden. Doch so dominant und herrisch ihre Mutter auch sein mag, die Persönlichkeit haben die 13 Weihnachtsgesellen wohl eher von ihrem gutmütigen und zurückhaltenden Vater geerbt. So sabotieren sie sich absichtlich gegenseitig bei ihrem weiter bestehenden Auftrag von ihrer Mutter, um die Kinder vor dem Kochtopf zu bewahren. Doch sie müssen sich in Acht nehmen: die böse schwarze Katze der Mutter, Jólakötturin, beobachtet sie und ist selbst auf der Suche nach Kindern, die sie fressen kann (sie bevorzugt dabei laut Überlieferung vor allem faule Kinder, die die Wolle bis Weihnachten noch nicht gesponnen haben – da sollten sich die Kleinen also ranhalten und am Aðfangadagskvöld, also Heilig Abend, brav ihre Jolaföt, ihre neue Kleidung, tragen 😉 ). Glücklicherweise wissen die Weihnachtsgesellen sie aber immer wieder auszutricksen, sodass sie leer ausgeht und ihre böse Mutter nichts von den guten Taten mitbekommt.
Aufgrund ihres eigentlich guten Wesens bereitet den Trollen jedoch sogar das Stehlen von Lebensmitteln schwere Gewissensbisse – weshalb sie als Entschädigung kleine Geschenke für die Menschen hinterlassen. Anfangs dachten sie, es sei eine gute Idee, ein paar hübsche Steine in die Vorgärten zu legen (Trolle mögen Steine). Das kam leider gar nicht gut an: die Menschen stolperten darüber und fanden die Steine auch gar nicht schön.
Und so kam es zur Island-Tradition mit den Schuhen auf der Fensterbank
Dann kam den Trollen eine Idee, die sie letztlich zu den beliebten isländischen Weihnachtsmännern werden ließ: sie bastelten kleine Geschenke für die Kinder und hinterließen sie jenen, die besonders artig im letzten Jahr waren. Sobald die Menschen das herausgefunden hatten, freuten sie sich über den Troll-Besuch und es wurde zur isländischen Tradition, vom 12. bis zum 24. Dezember jeden Abend ein paar Schuhe auf die Fensterbank oder vor die Türe zu stellen.
Alternativ werden zuweilen auch einfach Socken an die Türklinke gehängt, ein Brauch, der auch in Deutschland bekannt sein dürfte. Aber anders als in Mitteleuropa finden brave Kinder 13 Tage lang jeden Morgen ein kleines Geschenkchen in ihrer Fußbekleidung – Spielzeug, manchmal bestimmt auch etwas Süßes. Unartige Kinder hingegen bekommen: eine Kartoffel. So ändern sich die Zeiten, früher hätte manches Kind sich sicher auch darüber gefreut. Immerhin besser, als im Troll-Kochtopf zu landen.
Und so kam also der Weihnachtsbrauch in Island zustande, in den beiden Wochen vor Weihnachten Schuhe auf die Fensterbank zu legen. Sollten Sie zu der Zeit mal in Island verweilen, achten Sie mal darauf!
Sehen Islands 13 Weihnachtsgesellen wirklich wie Weihnachtsmänner aus?
Schließlich sollen es doch Trolle sein…
Tja, wie sehen sie aus… das weiß niemand genau, denn sie lassen sich ja nur selten blicken. Und in den langen, dunklen isländischen Winternächten (die Sonne scheint im Winter in Island nur 4 Stunden pro Tag) sind sie sicher auch nicht leicht zu entdecken. Es gibt zwar viele schöne Zeichnungen (wie jene weiter oben in diesem Artikel), aber das sind nur künstlerische Annäherungen. Man weiß nur, dass sie sich angepasst haben, wie die isländische Kultur selbst – sie tragen inzwischen angeblich, da die Menschen sich über ihre Ankunft freuen, mit Freuden rote Weihnachtskostüme mit Zipfelmütze. Daher werden sie nun auch häufig einfach nur noch als Weihnachtsmänner bezeichnet. Ob sie aber nun wirklich inklusive roter Zipfelmütze und dichter, weißer Rauschebärte daherkommen, ist umstritten, schließlich sind es weiterhin Trolle. Und die sind nunmal rau und verschroben – die Orks unter den Nikoläusen, sozusagen.
Wo Sie die richtigen Weihnachtsgesellen sehen können
Wenn Sie Islands Weihnachtsgesellen mal in Natura sehen wollen, bleibt Ihnen keine andere Wahl, als einen Island-Urlaub im Winter zu machen. Und keine Angst, falls Sie den Trollen doch nicht begegnen: gerade in Reykjavík gibt es zahlreiche lebensgroße Nachbildungen der lustigen Gesellen.
Wenn Sie lieber von zuhause aus mehr über Islands 13 Weihnachtsgesellen und weitere Island-Traditionen erfahren möchten, empfehlen wir das Buch “Die Weihnachtsmänner” von Brian Pilkington (ISBN-Nummer: 978-9979-3352-4), das vor allem auch gut als Vorlese-Buch für Kinder geeignet ist und viele schöne Illustrationen wie jene in diesem Artikel enthält.
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