Was erneuerbare Energien angeht, ist Island internationaler Spitzenreiter – und seit 8. September 2021 arbeitet auf der Insel eine Air Capture-Anlage, die einen weiteren Meilenstein in Sachen Klimaschutz darstellen könnte: „Orca“ holt mit riesigen Ventilatoren CO2 aus der Luft, das danach mehrere Hundert Meter tief in der Erde in Basaltgestein gespeichert wird. Ein faszinierendes Verfahren – aber kann dadurch der Klimawandel aufgehalten werden?
30 Kilometer östlich von Reykjavík, inmitten von hügeliger Landschaft und in unmittelbarer Nähe zum großen Geothermie-Kraftwerk Hellisheidi, arbeitet seit 8. September 2021 die Direct Air Capture-Anlage “Orca” mit einer von dem Schweizer Unternehmen Climeworks entwickelten Technologie: Acht rechteckige Container stehen auf grauen Betonklötzen und „holen“ in einem zweistufigen Verfahren das Treibhausgas CO2 aus der Atmosphäre. Dabei blasen die je zwölf Ventilatoren eines Containers zunächst Luft durch die Anlage hindurch, die in der Mitte des Kastens an einem speziellen Filtermaterial hängen bleibt.
Versteinertes CO2 – für immer aus der Atmosphäre?
Wenn dieser Filter voll ist, schließt sich der Container auf beiden Seiten und wird auf rund 100 Grad Celsius erhitzt. Bei dieser Temperatur löst sich das Kohlendioxid wieder vom Filtermaterial und kann in hochkonzentrierter Form abgesaugt werden. Jetzt kommt das isländische Unternehmen CarbFix mit ins Spiel: Es vermischt das Kohlendioxid mit Wasser und pumpt es dann mehrere hundert Meter unter die Erde, wo zwischen dem Basaltgestein und dem Wasser-CO2-Gemisch natürliche Mineralisierungs-Prozesse ablaufen. Das Ergebnis: Das Kohlendioxid (im Basalt sichtbar als weißen Poren) wird innerhalb von zwei Jahren versteinert und für mindestens 10.000 Jahre gespeichert. 4000 Tonnen CO2 kann „Orca“, die bisher weltweit größte Anlage dieser Art, so im Jahr „verpressen“. Aber ist das nun die Art Klimaschutz, die die Erde retten kann?
Ultimative Lösung für den Klimaschutz?
Die Antwort ist eindeutig: jein. Für die Anlage „Orca“ kommt wegen ihrer unmittelbaren Nähe zum großen Kraftwerk Hellisheidi nur klimafreundliche Geothermie zum Einsatz. Das ist ein großer Pluspunkt für den Klimaschutz, denn was nutzt die beste Technologie, wenn sie selbst wieder Schadstoffe in die Luft bläst. Und natürlich: Jede Tonne Kohlendioxid, die durch “Orca” aus der Luft entfernt wird, trägt nicht mehr zur globalen Erwärmung bei. Dazu kommt: Anlagen wie „Orca“ brauchen nicht viel Platz und könnten prinzipiell überall entstehen.
Ideen und Investoren
Die zwei großen ABER‘s sind jedoch: 4000 Tonnen im Jahr sind eben sehr wenig gegen den weltweiten Ausstoß an Treibhausgasen im Jahr, der etwa 40 Gigatonnen (40 Milliarden Tonnen …) beträgt. Und: Die Technologie ist noch sehr teuer – es bräuchte Unternehmen, die investieren, und Privatmenschen wie die 8000 Abonnenten, die 49 Euro im Monat an Climeworks zahlen – im Gegenzug „saugt“ das Unternehmen pro Abonnent 50 Kilogramm CO2 pro Jahr aus der Luft.
Klimaschutz braucht politische Unterstützung
Ob in Island oder Deutschland – Klimaschutz braucht politische Unterstützung. Deutschland soll bis 2045 klimaneutral werden – so sieht es die Novelle des Klimaschutzgesetzes vor, die am 31. August 2021 in Kraft trat. Wie dieses Ziel erreicht werden soll, darüber streiten die Parteien, und jetzt, so kurz nach der Bundestagswahl, lässt sich noch gar nicht absehen, in welche Richtung der nationale Klimaschutz in Deutschland gehen wird. Sicher ist aber: So wie jetzt kann es nicht weitergehen – und Erfindungen wie die Direct Air Capture-Technologie und die Anlage „Orca“ dürfen und werden nicht die letzten ihrer Art sein.
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Fotos: Climeworks (3), Sandra Ósk Snæbjörnsdóttir für Carbfix (1), Markus Spiske (1)
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